Am 5. Januar 2021 hat mich der Grosse Rat zu seinem Präsidenten für das Jahr 2021 und somit zum "höchsten Aargauer" gewählt. Vielen Dank für das Vertrauen!
Antrittsrede, gehalten am 5.1.2021 vor dem Grossen Rat
„Ich danke Ihnen
für die Ehre, die Sie meiner Partei und mir durch die Übertragung des
Präsidiums erwiesen. Ich werde mich bemühen, mein Amt gerecht zu führen. Wir
beginnen unser neues Amtsjahr in einer schweren Zeit.“ Mit diesen Worten beginnt Dr. Roman Abt 1923 seine
Antrittsrede, als erster Grossratspräsident meiner Partei. Der erste Teil ist
zeitlos – und der zweite Teil passt heute besser, als uns lieb ist. Ich kann
mich somit ganz seinen Worten anschliessen.
Geschätzter Alterspräsident Geschätzte Vizepräsidentin, geschätzter Vizepräsident Geschätzte Grossrätinnen und Grossräte Geschätzter Herr Landammann, Herr Landstatthalter, Herren
Regierungsräte Geschätzte Frau Obergerichtspräsidentin Geschätzter Herr Gemeindeammann, Herr Gemeinderat Geschätzte Frau Staatsschreiberin Geschätzter Herr Gemeindeschreiber Geschätzte Medienvertreterinnen und -vertreter Geschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Parlamentsdienstes Geschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung
von Staufen Geschätzte Gäste Sehr geehrte Damen und Herren Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, das Sie in mich und
die Vizepräsidentin und den Vizepräsidenten setzen. Ihnen beiden gratuliere ich
zur Wahl und Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, gratuliere ich zur
Inpflichtnahme und freue mich auf die Zusammenarbeit. Kurz zurück zur Zeit von Roman Abt. Genau vor 100 Jahren,
1921, wurde der erste nach dem Proporzsystem gewählte Grosse Rat in Pflicht
genommen. Der Proporz führte zu ganz neuen Kräfteverhältnissen und entsprechenden
Verwerfungen. Der Umgang unter den Parteien war viel härter, als wir es heute
gewohnt sind. Die härtesten aktuellen Exponenten erscheinen demgegenüber wie
unschuldige Waisenknaben…. So führte
auch die Präsidentenwahl 1921 im Vorfeld zu grossen Unstimmigkeiten. Der von
den katholisch-konservativen vorgeschlagene Emil Nietlisbach wurde dann aber
doch mit einem sehr guten Resultat gewählt. Als einziger Vizepräsident wurde aber
überraschend nicht der von der SP vorgeschlagene Nationalrat Karl Killer,
sondern Nationalrat Dr. Roman Abt von der Bauern- und Bürgerpartei gewählt.
Dieser nahm die Wahl aber nicht an – und machte damit den Weg frei, dass Killer
dann doch gewählt wurde und der ausgehandelte Präsidententurnus eingehalten
wurde. Ein Turnus, der bis heute Grundlage ist und der 80 Jahre sogar völlig
unverändert blieb, bis man die erstarkten Klein- und Neuparteien, zu recht,
auch in den Turnus eingebunden hat. Diese kleine Geschichte lehrt uns folgendes: Streiten gehört zur Politik. Der Wettstreit der Ideen
führt zu guten Lösungen. Dazu gehört, dass man die Argumente der anderen Seite
anhört, und wenn sie überzeugen, ist es nicht verboten, seinen eigenen
Standpunkt ein kleines bisschen anzupassen. In den zwanzig Jahren, in denen ich
diesem Parlament schon angehören darf, habe ich viel gehört. Argumente, die ich
besser und solche, die ich schlechter fand. Aber sie hatten eines gemeinsam:
Die Referentinnen und Referenten wollten ausnahmslos nur das Beste! Und gerade
deshalb ist es wichtig, dass alle Meinungen offen ausgesprochen werden dürfen –
niemand will etwas Schlechtes! Die Geschichte lehrt uns aber auch, dass Kollegialität
und das Einhalten von vereinbarten Regeln wichtig sind, um als Institution
Grosser Rat möglichst effizient zu funktionieren. Nicht nur der Zusammenhalt im Parlament, sondern in der
ganzen Bevölkerung ist mir wichtig. Es zieht sich aktuell ein richtiggehender
Graben durch die Bevölkerung – quer durch Familien und auch Parteien. Und ich
will alles in meinen Möglichkeiten liegende unternehmen, diesen Graben zu
verkleinern, damit sich alle wieder – vorerst wenigstens gedanklich – näher kommen. Und dazu habe ich mir auch ein passendes Motto
ausgedacht. Mottos sind ja Mode - Es musste für mich aber ein einfaches sein,
das man sich merken kann und gerne ausspricht. Deshalb habe ich mich für „zum
Wohl!“ entschieden. Auch „Prost!“ wäre gegangen oder „Gsondheit!“. Letzteres
hat allerdings ein genialer Wahlkampstratege schon für einen Regierungsratswahlkampf
verwendet… Bevor Sie hier einwenden, es gehe mir bei diesem Motto nur
um die Steigerung des Staatsweinkonsums, versichere ich Ihnen, dass man sich auch
mit Säften und mit Wasser sehr gut zuprosten kann! Es geht mir also nicht um
Alkohol - als Essigproduzent kann ich mich auch als einen der grösseren
Alkoholvernichter des Landes bezeichnen. Denn Essig entsteht durch Umwandlung
von Alkohol in Essigsäure. Ich verwandle also Wein in Essig. Nicht zu
verwechseln mit der Arbeit meines
Kollegen aus der vorgelagerten Produktionsstufe, der Wasser in Wein verwandelt.
Ich hoffe aber, er steht uns allen im bevorstehenden Jahr bei. Das „Zum Wohl!“ soll dafür stehen, dass wir uns auf der
persönlichen Ebene gut verstehen und uns gegenseitig Gesundheit und Wohlergehen
wünschen. Man kann sich also eigentlich gar nicht genug Zuprosten! Und das ist
mir wichtig. Dass wir uns trotz allen politischen Differenzen gemeinsam für den
Kanton und die Bevölkerung einsetzen. Wenn wir uns in der politischen Debatte
auch hart an den Karren fahren dürfen und sollen – genau gleich sollen wir uns
achten. Es trifft mich persönlich nicht, wenn Sie meine politischen Standpunkte
aufs härteste bekämpfen - auch mit unfreundlichen Worten – aber wenn Sie mit
mir nicht anstossen wollen beim hoffentlich bald wieder möglichen
anschliessenden Apéro, dann nehme ich Ihnen das Übel! Nehmen wir uns also Zeit in diesem Jahr – und hoffentlich
darüber hinaus – und stehen zusammen, so nahe es denn halt geht, und prosten
uns zu. Es fördert das gegenseitige Verständnis und führt dadurch zu besseren
Entscheiden. Was mir weiter wichtig ist, ist die gute Zusammenarbeit
mit der Regierung und der Verwaltung. Wir müssen aber die uns durch Verfassung
und Gesetz zugedachten Kompetenzen gegenseitig respektieren. Für die dritte Gewalt, die Judikative, hoffe ich, dass
wir ihr durch klare Entscheide und eine saubere Gesetzgebung möglichst wenig
Arbeit machen. Mit etwas Sorge betrachte ich bei der vierten Gewalt die
journalistische Tendenz mit dem Ziel des „schnellen Klicks“, bei welcher es
mehr um knackige Titel als um die unmissverständliche Darstellung des
Sachverhalts geht. Gerade in sensiblen Themen, wie wir sie zurzeit haben,
sollten wir die Bevölkerung nicht unnötig erschrecken. Ich freue mich aber auf
die Zusammenarbeit mit den Medien. Wir werden Inhalte für ihre Formate liefern
- umgekehrt brauchen wir sie, damit unsere Entscheide den Bürgerinnen und
Bürgern kommuniziert und wir, wenn notwendig, auch kritisiert werden. Als letzten Punkt will ich noch auf die Wichtigkeit der
Parteien hinweisen. Ohne Parteien funktioniert unsere Demokratie nicht. Leider
ist es aktuell nicht sexy, sich zu einer Partei zu bekennen. Ich gratuliere und
danke Ihnen, dass Sie es trotzdem gemacht haben, liebe Grossrätinnen und
Grossräte. Es sollte wieder normal werden für alle, dass man sich zu einer
Partei bekennt. Das heisst nicht, dass man in jedem Punkt immer einverstanden
sein muss mit der Partei. Aber mit der grundlegenden Stossrichtung. Ohne
Parteien stirbt die Demokratie. Eine Parteizugehörigkeit darf bei Wahlen in
Gremien kein Nachteil mehr sein, sondern sollte ein Vorteil sein. Egal, welcher
Partei jemand angehört. Danke, wenn Sie mithelfen, diese Botschaft zu
verbreiten. Ich freue mich auf die Arbeit mit Ihnen und hoffe, dass
wir im bevorstehenden Jahr zu mehr Normalität und nach Aarau zurückkehren
können. In diesem Sinne – es guet’s Nöis und „zum Wohl!“ 5. Januar 2021, Pascal Furer, Staufen | ||